Wie rührselig...
... "Tantra" doch sein kann. Immer auf der Jagd nach den intensiven, göttlichen Momenten, die da gelebt, wertgeschätzt und besonders achtsam erlebt werden woll. Die Jagd nach diesen Momenten der verklärten östlichen Pseudospiritualität. Klappt das auch im echten Leben? So ohne Sonne, Gott, inneres Licht und dem tantrischen Zwang des Wohlfühlens?
Tantra ein Weg zur Erkenntnis des Absuleten. Und ja: Tantra ist eine Haltung, ein Spiritualweg. Ein Weg der mitunter auch die Achtsam für unsere dunklen Seiten lehrt so wie deren Integration.
6:00 Uhr morgens, mein Wecker klingelt. Ich denke mir: Ich will nicht. Aufstehen, duschen, japa. Danach Arati. Dann Kaffee, Kippe und ab zur Arbeit. In der Straßenbahn die erste tantrischen Übung zum Thema Gleichmut: Drei geile Ischen, verzeihung, Shaktis, steigen ein, sowie eine unästhetische Nichtshakti. Warum werte ich? Wäre es nicht angebrachter, das ernst zu nehmen, was die Bhagavad-Gita lehrt? Nämlich einen Brahmanen und einen Hundefresser mit den selben Augen zu sehen. Deswegen die Übung bis zur Endhaltestelle: Alle Mitreisenden mit den selben Augen sehen. Mann fühle ich mich jetzt gut. Die Straßenbahn hält, ich steige aus. Ab in die Bäckerei um noch einen Kaffee zu holen. Die Verkäuferin ist so freundlich wie ein Stshlträger. Ihre Kollegin ist viel hübscher aber leider bedient sie mich nicht. "Macht zwo Euro zehn". Ich verlasse die Bäckerei und stelle fest, dass fromme Gedanken toll sind. Nur halten sie halt gerade mal von der Haltestelle bis zur Bäckerei. Also zwanzig Schritte. Ich laufe zur Arbeit und grüble über das ganze nach... Scheiß Morgen, es regnet und mein Schirm ist in der Straßenbahn.
Zehn nach acht, Ankunft Arbeit. Mein Kollege begrüßt mich mit: "Nur zehn Minuten zu spät?!" Ich denke mir "böse Worte".... So geht es weiter. Gegen zehn tobt Bhairava in meinem Geist. Wut, Unlust, leichte Aggressionen. Harmonie wäre jetzt toll. Bis zum Mittag trage ich den zornerfüllten Shiva, Bhairava mir mir herum. Soll er toben? Soll ich ihn bekämpfen? Abspalten, annehmen, sich dagegen wehren...? Tantrika sein, Bhairava sein, nicht verletzen! Warum wehren? Warum diese Bhairava-Energie verleugnen? Warum nichtverleugnen? Muss ich entweder das eine oder das andere sein? Kann man beides sein? Oder vielleicht keines von all dem...? Diese vier Möglichkeiten sind alles was ist, catushkoti, Vierkant, wird dies in Indien genannt. Die maximale Beschreibung der Welt, und auch die Andeutung dessen, was jenseits davon ist. Klar, der pashu, der viehische Mensch will entweder ds eine oder das andere sein. Entweder wütend oder harmonisch. Der geistvolle Mensch ist beides, er hebt die Gegensätze damit auf. Doch erst das tantrische Ideal des heldenhaften Menschen, der virya, übersteigt auch das noch, er ist keines von all dem. Das sei meine Meditation für heute! Weder die Schwingung der Wut noch die Schwingung der Harmonie sind erstrebenswert. Auch nicht beide zusammen, die Nulllinie. Erst das was jenseits davon ist, die bewegungslose Schwingung, aspanda, der Bindu, der ausdehnungslose Punkt, die Bewegungslosigkeit der Radnabe, die aber Ursache ist für das Drehen des Rades ist das Ziel. Der Tag wird friedlicher, bekommt einen tantrischen Geschmack: Tantrarasa.
Greez
Unbestimmt-Er
(aka Dr. Delight)